Ein Stuhl von der Titanic, vergessen in der Garage des J. Louis LeMartelleur.

Endlich ist es Sommer geworden und die Freiluftsaison eröffnet.
Jedes Jahr freuen wir uns auf die schönen Tage draußen im Garten, auf dem Balkon oder der Dachterrasse. Eine Vielzahl von Gartenmöbel aller erdenklicher Materialen und Farben stehen uns dafür zur Auswahl. An lauschigen Sommertagen mit der Familie oder Freunden draußen zu sitzen, oder einfach nur die Stille des Gartens zu genießen, das sind die kostbarsten Tage des Jahres.
Die meisten haben einen Liegestuhl Klassiker stehen, meist ist der aus Teakholz und verlangt alle paar Jahre nach einer großen Flasche Öl um wieder zu glänzen.
Der sogenannte Deck-chair ist einer der beliebtesten Liegenmodelle die je entworfen wurde. Sein Designer reiht sich aber nicht ein in die namhafte Liste wie z.B. Thonet, Mackintosh, Blümel oder Breuer.

Haben Sie sich schon mal gefragt warum eine elegante klappbare Gartenliege aus Teakholz „Deck-chair“ genannt wird ?

Es war John Thomas Moore der den Deck-chair für die ersten Passagierschiffe im Jahre 1886 entworfen hat und sich den Stuhl bereits 1887 patentieren ließ.
Er bekam den Auftrag für die beiden Luxus-Dampfer Britannic und Titanic der White Star Line die Deck-chairs für die Passagiere der Ersten Klasse und die Sitzbänke für die Zweite und Dritte Klasse zu entwerfen.
Die Deck-chairs an Board der Titanic wurden dann von kleinen Manufaktur R.Holman & Co. in Boston gebaut.

Sie wurden im Kopfteil vorne mit dem Stern der White Star Line versehen und hatten auf der Rückseite einen Namensschildhalter und sie wurden alle aus burmesischem Teakholz und Mahagoni-Holz gefertigt.

Auf der Titanic gab es genau 256 Deck-chairs der Ersten Klasse.

Nach dem Untergang der Titanic kamen nur sieben davon an Bord des britischen Cable-Ship „Mackay Bennett“.

Da Teakholz kaum Wasser aufnimmt schwamm ein Großteil der Stühle über Wochen auf dem Atlantik.

Die „Mackay Bennett“ und ein weiteres britisches Cable-Ship wurden von der White Star Line gechartert um die Ertrunkenen mit den Rettungswesten zu bergen.

Die beiden Schiffe mit Stützpunkt im Hafen von Halifax und waren in den Bereich in dem die Titanic gesunken war laufend mit Reparaturen am Transatlantischen Telegraphenkabel beschäftigt und kannten sich aus.

Zeitgleich war das französische Kabel Schiff von Kapitän Julien Louis LeMartelleur  wegen einer Leckage außer Dienst. Und so kam  LeMartelleur lediglich als Kundenberater der Compagnie Francaise des Cables Telegraphiques (kurz CFCT) in Halifax an Bord der „Mackay Bennett“. Er hatte den Auftrag sich um die Reparatur eines kaputten französischen Telegraphenkabels zu kümmern und die „Mackay Bennett“ war bereit hier zu unterstützen. Er wusste wohl nichts davon, dass zeitgleich mit der Reparatur auch die Bergung der über 300 Leichen der am 14. April 1912 gesunkenen Titanic durchgeführt wurde.

Die Bergung dauerte über eine Woche und nahm ihn ziemlich mit uns so bekam er einen Deck-chair bei der Ankunft im Hafen von Halifax am 30.April 1912 geschenkt.

Zu Hause angekommen stellte der den Stuhl bis zum Jahre 1960 in seine Garage.
Er fuhr sein Leben lang zur See und heiratete erst im Ruhestand seine Wegbegleiterin.
Im Ruhestand erinnerte er sich an den Stuhl in seiner Garage und erzählte seiner Frau von der Bergung der Leichen der Titanic und wie der Deck-chair in seinen Besitz gekommen war.

Ende der 1960ger Jahre verkaufte er den Stuhl an einen befreundeten Kapitän. Schließlich kam der Original Deck-chair der Titanic im Jahre 1997 auf einer Auktion in den Besitz der beiden Freunde Ian McCharthy und Ralph Cook jr.
Die beiden recherchierten die Geschichte ihres Deck-chairs umfassend, sie fragten sich wie Kapitän LeMarteleur, dessen Schiff die „Contre Amiral Caubet“ nicht an der Bergung der Opfer der Titanic beteiligt war in den Besitz des Deck-Chair gekommen war.
Sie konnten in den Original Unterlagen der Rederei und CFCT in Paris nachlesen, dass neben dem Kapitän der „Mackay Bennett“ auch Kapitän Julien Louis LeMartelleur als Berater für die Reparatur des Kabels an Bord des Schiffes war. Somit war die Provenienz, dass der Deck-chair von der Titanic stammte bewiesen und die beiden Freunde gründeten 1998 die „Titanic deckchair Company“ und begannen mit dem originalgetreuen Nachbau der Stühle.

Als Jahre 1997 die Neuverfilmung „Titanic“ das Schiffsdrama bildgewaltig und romantisch in die Kinos kam erlangte auch der Deck-chair eine neue Form der Popularität.

Ein Original Deck-chair ist heute im Maritime Museum oft the Atlantic in Halifax und ein weiterer im Titanic Museum in Belfast zu bewundern, sie gehören zu den rarsten Sammlerstücken.

Im Jahre 1982 fand der Enkel des Iren Pat O`Reilly auf dem Dachboden seines Hauses in Neuseeland das Tagebuch seines Großvaters. Pat O`Reilly hatte den offiziellen Titel des Deck-chair re-arrangers an Bord der Titanic.
Es war ein sehr begehrter Posten, der sich ausschließlich um die richtige Ausrichtung der Deck-chairs im Stundentakt und nach Sonnenstand und Fahrtrichtung und die Passagiere der Ersten Klasse zu kümmern hatte.
Er hatte den Posten bekommen weil er dialektfrei englisch gesprochen hatte und von „ansprechenden Ansehen und Statur war“.
Pat O`Reilly schreibt ein paar Tage nach seiner Rettung in sein Tagebuch, dass dies seine beste, interessanteste und mit 2 Tagen auch kürzeste Anstellung war, die der damals 20 jährige Bursche, jemals hatte. Des Glückes seiner Rettung war er sich in diesen Tagen vermutlich nicht bewusst.

Und so hat der elegante Erste Klasse Deck-chair, der eigentlich für die Annehmlichkeiten der Passagiere an Bord eines Luxusliners sorgen sollte seinen Siegeszug in unsere Gärten, Dachterrassen und Balkone angetreten und ist bis heute der beliebteste klappbare hölzerne Liegestuhl Nummer eins weltweit.

Bildquelle Martimes Museum of the Atlantic Halifax