Stadtteile mit Geschichte im Wandel der Zeiten: Freiham, Aubing und Neubaubing

Kaum eine Gegend in und um München hat in den letzten gut 20 Jahren so eine Veränderung erfahren wie die Stadtteile Freiham, Aubing und Neubaubing.

Mit der Geschichte von Gut Freiham haben wir uns 2006 beim Verkauf intensiv beschäftigt. Schon Mitte der 1980ger Jahre wurden landwirtschaftliche Flächen des Gutes verkauft. Der neue Eigentümer ein Herr im fortgeschrittenen Alter, der die fixe Vorstellung hatte aus den Flächen sollte Mal so was wie ein Gewerbegebiet am äußersten westlichen Stadtrand werden.
Lange hat es gedauert bis seine Vision vom Gewerbegebiet Freiham Wirklichkeit wurde. Gut 20 Jahre lang, zu lange für den damaligen Eigentümer, gefreut haben sich am Verkaufserlös seine Erben. Viel Wasser ist die Isar hinuntergelaufen bis um das Gebiet um Gut Freiham neben dem Gewerbegebiet allmählich der neue Stadtteil Freiham entstanden ist.
Schon der Bau der der A99 und der Spange zum Autobahnkreuz West haben das Gebiet ordentlich verändert. Die ehemals noch zu Gut Freiham gehörenden Äcker und Wiesen liegen nun auf der anderen Seite des Autobahnzubringers.

Viel Aufmerksamkeit hat in den Jahren ab 2010 die Veränderungen auf dem ehemaligen Dornier-Gelände erfahren. Hier ist unter dem Namen „Am Gleißdreieck ein großes modernes Wohngebiet entstanden.

Wer nun auf der Bodenseestraße stadtauswärts Richtung Germering fährt kann schon mal den Überblick verlieren wo die Landeshauptstadt aufhört und wo Germering anfängt. Baukräne und Neubauprojekte soweit das Auge reicht.
Bürohäuser, Sport- und Freizeitstätten, und vieles mehr machen den neuen Stadtteil Freiham zum Leben attraktiv.
Möglich geworden ist das in der Hauptsache durch Umstrukturierungen von ehemaligen Industrie-Flächen wie unter anderem auch dem Gelände des Eisenbahn-Ausbesserungswerkes München-Aubing.
2,4 Millionen Tonnen Güterverkehrsaufkommen in München in den Jahren um 1900 haben den Neubau für den Bereich Güterwagenausbesserungs-Centralwerkstätten der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen dringen nötig gemacht.
Ein 90 Tagwerk großes Grundstück wurde hierzu von der Familie der Edlen von Maffei mit der Bedingung das Gut Freiham mit einer eigenen Bahnstation auszustatten an die Königlich Bayerischen Staatseisenbahn verkauft.
Die ehemaligen Ausbesserungshallen stehen heute unter Denkmalschutz und werden in der Hauptsache als äußerst attraktive Büroflächen genutzt.
Für die vielen Arbeitskräfte wurden Mehrfamilienhäuser in der Kolonie Neubaubing, heute als „Papin-Siedlung“ bekannt, gleich an den damaligen Gleisanlagen errichtet. Das unverputzte rote Sichtmauerwerk ist heute der Inbegriff für jede Eisenbahnersiedlung und fast jedes Schrankenwärterhäuschen in Bayern.
Deutlich komfortabler wurden die Reihenhaussiedlungen der Eisenbahn-Beamten rund um die Aufseßer-Straße bereits mit eigenen Bädern ausgestattet.
Beide Siedlungen genießen heute Ensembleschutz und sind bei Mietern sehr begehrt.
In den Jahren von 1938-1940 wurde nach den Plänen von Franz Ruf die nach nationalsozialistischen Ideologie geplante Siedlung am Gößweinsteinplatz errichtet.
Die Siedlung wurde als Dorf ohne Kirche dafür mit Appellplatz und Gaststätte für die Arbeiter von Dornier errichtet, Sie ist heute ein Zeitdokument der Baukunst des nationalsozialistischen Irrsinns und steht auch unter Ensembleschutz.
Hätte die Siedlung eine andere Vergangenheit könnte man sie als großen und gelungenen Wurf für eine Arbeiteruntersiedlung bezeichnen.

Wenig beachtet und bekannt ist das dunkelste Kapitel der Reichsbahn.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges kann das Reichsbahn-Ausbesserungswerk Neuaubing ins Visier der nationalsozialistischen Pläne und das Gelände wurde stark erweitert. Der Schienenverkehr war der wichtigste Transportweg um den Krieg am Laufen zu halten. Hier wurden in der Hauptsache Lazarett-Wägen gebaut bzw. umgebaut und die „Russen-Lok“ für die Front aufgerüstet.
Wer in die kleine Ehrenbürgerstraße einbiegt, wird seine Aufmerksamkeit auf die rege Bautätigkeit zur Linken richten.
Zur Rechten liegt recht versteckt die ehemalige Zwangsarbeitersiedlung.
Im Zwangsarbeiterlager Neuabing lebten in der Zeit von 1942-1945 Zwangsarbeiter aus West- und Osteuropa unter menschenunwürdigen Bedingungen in den elf Baracken. Erst spät hat die Baracken-Siedlung einen Eintrag in die Geschichtsbücher bekommen. Im Jahr 2015 hat die Stadt München das Gelände an der Ehrenbügerstraße 9 erworben und bis 2025/2027 soll dort eine Zweigstelle des NS-Dokumentationszentrums eröffnet werden.
Im direkten Umfeld waren im Zweiten Weltkrieg auch die Dornier-Werke angesiedelt, Die Dornier-Werke wurden in der Hauptsache von den zwei KZ-Aussenlagern Germering-Aubing und dem Barackenlager mit Zwangsarbeitern versorgt. Nach Augenzeugenberichten war bis zu 1.000 Häftlingen untergebracht. Viele verloren bei den Bombenangriffen auf die Dornier-Werke ihr Leben.
Das Lager wurde im Sommer 1945 von den Truppen der Amerikaner befreit.
Nach Kriegende wurden Baracken als Flüchtlingsunterkunft und später für Bahnarbeiter genutzt und ist schließlich in Vergessenheit geraten.
Es ist engagierten Aubinger Bürgern zu verdanken, dass das Leid der Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg in der Ehrenbürgerstraße 9 nun die richtige Würdigung erhält und eine Gedenkstätte eingerichtet wird. Die Baracke V ist bereits renoviert und wurde 2017 von der ehemaligen Zwangsarbeiterin Anna Wladimirowna besucht.
Wer Erinnerungen oder Bildmaterial aus der Zeit zur Verfügung stellen kann sendet dies bitte an das Dokumentationszentrum departure.nsdoku@muenchen.de

Wer mehr über dieses wohl dunkelste Kapitel der Münchner Stadtgeschichte erfahren möchte kann dies nachlesen im Buch eines Zwangsarbeiters aus Rotterdam: Jan Baziun „Tagebuch eines Zwangsarbeiters“ 

Bild zeigt die ehemalige Zwangsarbeiterin Anna Wladimirowna (NS-Dokumentationszentrum, Bild: Connolly Weber Photography 2017